Auserlesenes - Blog für Buchrezensionen

Süchtig nach Büchern, Kaffee und Schokolade 

 

 

Highigiugui

Antichristie - Mithu Sanyal Ghbbjjpikopmb. Vo7nlimopmipoun. Ihvulpb Jobnkjnoinoj

Furchtbar in. J Jo Jo Oboist jo

Das Comeback - Ella Berman

Jogin n ionkomokmok injiziert jinokmko

Fuhznu uhugnjugjjk iji

Die Gräfin - Irma Nelles

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Eine rätselhafte Erbschaft und andere Merkwürdigkeiten

Die Unmöglichkeit des Lebens - Matt Haig

Für Grace Winters (72) kommt die Nachricht unverhofft: Die pensionierte Mathematiklehrerin aus England hat ein Häuschen auf der Insel Ibiza geerbt - von einer Freundin, die sie schon fast vergessen hatte. Wer war Christina van der Berg wirklich und wie ist sie zu Tode gekommen? Das versucht Grace auf den Balearen herauszufinden.

 

„Die Unmöglichkeit des Lebens“ ist ein Roman von Matt Haig.

 

Der Roman beginnt und endet mit jeweils zwei E-Mails, die als eine Art Prolog und Epilog verstanden werden können. Dazwischen befinden sich mehr als 100 kurze Kapitel. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Grace. Ein Großteil der Handlung spielt auf Ibiza. Die reich illustrierte Landkarte in den Innenklappen gibt einen guten Überblick über die dortigen Örtlichkeiten.

 

Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich und mitreißend. Die humorvolle, ein wenig freche Erzählstimme hat mir sehr gefallen.

 

Protagonistin Grace ist eine interessante und sympathische Figur, deren Innenleben sich prima nachvollziehen lässt. Ein authentischer und psychologisch ausgefeilter Charakter.

 

Wieder einmal überrascht uns der Autor mit einer ungewöhnlichen und kreativen Geschichte. Mit seinen philosophischen Fragen und Impulsen entwickelt der Roman viel Tiefgang und bietet Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Dabei geht es insbesondere um die Unwahrscheinlichkeit und das Wunder des Lebens.

 

Auch diesmal hält die Story fantasievolle Elemente bereit. Anders als in seinen früheren Romanen wirken einige Passagen auf mich hier jedoch zu überzogen und abgedreht, was meinen Lesegenuss ein wenig geschmälert hat.

 

Auf den rund 400 Seiten bleibt die Geschichte fesselnd und unterhaltsam. Bis zum Schluss ist sie unvorhersehbar, originell und verblüffend.

 

Der deutsche Titel ist eng ans englischsprachige Original („The Life Impossible“) angelehnt und passt hervorragend. Auch das etwas stilisierte Cover, das optisch mit den anderen Romanen des Autors harmoniert, wurde übernommen und ist eine gute Wahl.

 

Mein Fazit:

Mit „Die Unmöglichkeit des Lebens“ liefert Matt Haig erneut eine kreative, tiefgründige und spannende Geschichte ab, die mir schöne Lesestunden beschert hat. Für mich ist der neue Roman allerdings nicht sein stärkstes Buch.

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Wir treffen uns im nächsten Kapitel - Tessa Bickers Drfrftzvbuzbizbui nionuonuonu

Ein unvorstellbarer Verlust

Mein drittes Leben - Daniela Krien

Für Linda, einst eine erfolgreiche Kuratorin, ist die Zeit stehen geblieben. Seit dem Unfalltod ihrer 17-jährigen Tochter Sonja hat eine allumfassende Trauer sie fest im Griff. Schon zwei Jahre lang hat sich die Mittvierzigerin auf einen ehemaligen Bauernhof fernab von Leipzig zurückgezogen. Ihr Mann Richard, der sie dort sporadisch besuchen kommt, weiß nicht mehr, wie er ihr helfen könnte. So droht Linda jetzt auch noch, dass ihr die Ehe entgleitet.

„Mein drittes Leben“ ist ein Roman von Daniela Krien, der es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 geschafft hat.

Die Struktur des Romans ist wohl durchdacht und schlüssig. Er besteht aus zwei Teilen mit insgesamt 31 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Linda - in chronologischer Reihenfolge, aber mit mehreren Rückblicken. Die Handlung spielt in Leipzig und einem Dorf in Ostdeutschland, dessen Name nicht verraten wird. Sie umspannt mehrere Jahre.

Auf sprachlicher Ebene hat mich der Roman komplett überzeugt. Auf den ersten Blick wirkt der Text schnörkellos und unspektakulär, fast nüchtern. Dennoch wird viel Atmosphäre vermittelt. Die Beschreibungen sind wunderbar anschaulich. Die Autorin beweist eine feine Beobachtungsgabe und eine Menge Sprachgefühl. Viele Zeilen sind eindringlich formuliert, gehen unter die Haut. Trotz oder gerade wegen des unaufgeregten Schreibstils konnte mich der Text schnell für sich einnehmen.

Auch die Figuren sind ein Plus des Romans. Sie werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Protagonistin Linda ist ein interessanter und sympathischer Charakter, in den ich mich gut hineinfühlen und deren Gedanken und Gefühle ich gut nachvollziehen konnte. Positiv aufgefallen ist mir, dass die Personen - wie im wahren Leben - zwar Schwächen und Widersprüchlichkeiten in sich tragen. Weil sie ihre eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten eingestehen und reflektieren können, kommen Linda und Richard besonders menschlich und liebenswert rüber.

Die Geschichte widmet sich der Frage, wie man mit einem unvorstellbar großen Verlust, dem Tod des eigenen Kindes, weiterleben kann. Ihr gelingt es darzustellen, wie scheinbar endlos lange der Trauerprozess dauert, welche Rückschläge und Hindernisse auf diesem schweren Weg liegen und wie stark ein solcher Verlust uns lähmen kann. Das macht den Roman zu einer sehr berührenden, aber kitschfreien Lektüre. Immer wieder hatte ich beim Lesen einen dicken Kloß im Hals.

Obwohl auf den fast 300 Seiten stellenweise gar nicht so viel passiert, hat mich die Geschichte zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Die Handlung bleibt von Anfang bis Ende stimmig und glaubhaft.

Das Covermotiv, eine Hochspringerin, lässt sich vermutlich nur mit viel Fantasie in Bezug zum Inhalt setzen. Mir hat sich der Zusammenhang leider nicht erschlossen. Umso passender ist für mich allerdings der Titel.

Mein Fazit:
Mit „Mein drittes Leben“ hat mich Daniela Krien rundum begeistert. Obwohl es der Roman bedauerlicherweise nicht in die engere Auswahl für den Buchpreis geschafft hat, gehört er schon jetzt zu meinen Lieblingsbüchern 2024. Eine Lektüre, die nachhallt. Große Leseempfehlung!

Alles schläft, einsam wacht

Der längste Schlaf - Melanie Raabe

Mit dem Schlaf kennt sich Mara Lux auf wissenschaftlicher Ebene gut aus. Doch ironischerweise leidet ausgerechnet die Forscherin unter Insomnia. Die Nachricht eines Notars lässt die Wahl-Londonerin nach Deutschland reisen. Dort macht Mara erstaunliche Entdeckungen…

 

„Der längste Schlaf“ ist ein Roman von Melanie Raabe.

 

Die Struktur des Romans ist klar: Es gibt 18 Kapitel, die mehrfach von träumerischen Einschüben getrennt werden. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Mara. Die Handlung spielt in Deutschland und England.

 

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman unauffällig und schnörkellos. Dialoge wechseln sich ab mit anschaulichen Beschreibungen.

 

Mara steht im Mittelpunkt der Geschichte. Eine interessante Protagonistin, deren Gedanken sich leicht nachvollziehen lassen.

 

Vor allem die Themen Träume und Schlafforschung machen den Roman zu einer reizvollen Lektüre. Die wissenschaftlichen Ausführungen sind lehrreich, ohne zu langweilen.

 

Die Fragen nach dem Grund von Maras Schlaflosigkeit, ihrer Vergangenheit und den Erlebnissen innerhalb ihrer Träume erzeugen Spannung und einen großen Unterhaltungswert. Auf den rund 340 Seiten entwickelt die Geschichte einen Lesesog. Der Roman kann zudem immer wieder überraschen.

 

Das ungewöhnliche, künstlerisch anmutende Cover passt sehr gut zum Inhalt. Dies gilt auch für den mehrdeutigen Titel.

 

Mein Fazit:
Auch mit „Der längste Schlaf“ hat mich Melanie Raabe überzeugt. Die fesselnde, kurzweilige Geschichte ist absolut lesenswert.

Familiäre Abgründe

Kleine Monster - Jessica Lind

Für Pia Reiserer ist es ein Schock: Ihr Sohn Luca (7) soll Alena, eine Mitschülerin, sexuell belästigt haben. Das Gespräch mit der Klassenlehrerin wühlt die Mutter sehr auf und bringt die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit wieder zum Vorschein. Können Kinder bösartig sein? Was ist ihnen zuzutrauen?

 

„Kleine Monster“ ist ein Roman von Jessica Lind.

 

Die Struktur ist sehr klar: Drei Teile mit insgesamt 61 kurzen Kapiteln umfasst der Roman. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Pia auf zwei Zeitebenen: einerseits in der Gegenwart, andererseits aus der Kindheit der Protagonistin. Die Handlung findet in und um St. Pölten in Österreich statt.

 

Die Sprache ist überwiegend ungekünstelt, gleichzeitig aber atmosphärisch dicht und eindringlich. Neben authentischen Dialogen und anschaulichen Beschreibungen beweist die Autorin vor allem in den emotionsgeladenen Passagen, dass sie vortrefflich mit Worten umgehen kann.

 

Protagonistin Pia ist mit großer psychologischer Tiefe angelegt. Ihre Gedanken und Gefühle erhalten viel Raum. Sie offenbaren schon früh, dass Pia ein unverarbeitetes Trauma erlitten hat und nach wie vor darunter leidet. Auch die anderen Figuren wirken lebensnah und vielschichtig, bleiben aber etwas blasser, was der Story geschuldet ist.

 

Zu was sind Kinder fähig? Und wie gut kennen wir unsere Söhne und Töchter? Diese zwei interessanten Fragen wirft der Roman immer wieder auf und bietet damit viel Stoff zum Nachdenken. Anders als der Klappentext vermuten lässt, geht es dabei jedoch weniger um den besagten sexuellen Übergriff, sondern um ein Drama, das sich in der Kindheit der Protagonistin ereignet hat. Die Herausforderungen der Mutterschaft und bedenkliche Familiendynamiken werden darüber hinaus ebenfalls beleuchtet. Diese und weitere Themen machen den Roman zu einer gleichsam bewegenden wie beklemmenden Lektüre.

 

Das Rätseln darüber, was genau im Klassenzimmer vorgefallen ist und was damals vor vielen Jahren passiert ist, sorgt für Spannung und verstärkt den Lesesog. Wegen einiger Redundanzen zieht sich der Mittelteil dennoch ein wenig. Der dritte Teil hingegen wird für meinen Geschmack zu kurz abgehandelt. Der Schluss ist insgesamt etwas unbefriedigend, da viel im Verborgenen bleibt, und inhaltlich nicht ganz rund.

 

Das ungewöhnliche, kreative Cover passt in mehrfacher Hinsicht hervorragend zum Buch. Das gilt ebenso für den Titel, wenn man ihn auch in metaphorischem Sinne versteht.

 

Mein Fazit:

Obwohl mich der Roman nicht in jedem Detail überzeugt hat, ist „Kleine Monster“ von Jessica Lind eine fesselnde und aufwühlende Lektüre, die mich gut unterhalten hat.

Die Möglichkeit einer Heimat

Als wir Schwäne waren - Behzad Karim Khani

Mit neun Jahren kommt Reza aus dem Iran nach Deutschland. Er gehört einer persischen Familie an: der Vater ein Poet, die Mutter Soziologin. Ihre akademischen Abschlüsse werden jedoch nicht anerkannt, was den Vater zu einem Job als Taxifahrer zwingt. In einer Wohnung im Plattenbau in Bochum leben sie als drei Ausländer unter vielen.

 

„Als wir Schwäne waren“ ist ein Roman von Behzad Karim Khani.

 

Der Roman setzt sich - nach dem Prolog - aus drei Teilen zusammen. Sie bestehen jeweils aus kurzen, teils sehr knappen Kapiteln.

 

Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Reza. Geschildert werden seine Kindheit, seine Jugend und die Zeit als junger Erwachsener. Trotz der chronologischen Erzählweise wirkt der Roman in den ersten beiden Teilen auf mich wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten. Das liegt möglicherweise an den thematischen und zeitlichen großen Sprüngen zwischen den Kapiteln.

 

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman dennoch überzeugt. Der Stil ist geprägt von kurzen Sätzen, einer reduzierten Sprache und treffenden Bildern. Dabei wird viel Atmosphäre und Zeitgeist vermittelt, etliche Assoziationen werden geweckt. Kein Wort ist dabei zu viel, keins zu wenig.

 

Im Mittelpunkt des Romans steht die dreiköpfige Familie. Nicht nur Rezas Innenleben wird anschaulich dargestellt, sondern auch die Ansichten und Gefühlslage der Eltern werden deutlich. Diese und weitere Figuren wirken lebensnah. Dem Roman ist anzumerken, dass der Autor autobiografische Elemente verarbeitet hat.

 

An der Lektüre hat mich gereizt herausfinden, wie Migranten Deutschland empfinden und welche Schwierigkeiten das Ankommen bereitet. Zwar begegnet Reza hin und wieder Alltagsrassismus. Dieser wird jedoch nur am Rande thematisiert. Das mag auch damit zu tun haben, dass seine Familie im Ghetto lebt und der Junge viel mehr Zeit mit anderen Ausländern als mit Deutschen verbringt, obwohl er es aufs Gymnasium schafft. Wieso er eine riesige Wut auf Deutschland entwickelt, warum er trotz des höheren Bildungswegs zwischenzeitlich abrutscht und weshalb er der Ansicht ist, im Ausland mehr Glück zu haben, all das wird leider nur in Ansätzen erklärt. Zwar mag dies damit begründet sein, dass der Lebenslauf exemplarisch für so viele Migrantenbiografien stehen soll. Diese und sonstige Leerstellen auf den nur knapp 190 Seiten machten es für mich allerdings schwierig, alles nachzuvollziehen und zu verstehen.

 

Auf inhaltlicher Ebene geht es stattdessen zumeist um Gewalt und Kriminalität. Dennoch hat die Geschichte auch ihre witzigen Momente, wobei ich nicht sicher bin, ob die Komik an all diesen Stellen beabsichtigt ist.

 

Gut gefallen hat mir, wie toll das ungewöhnliche Cover und der Titel miteinander harmonieren. Der Schwäne-Vergleich klingt nicht nur poetisch, sondern passt auch hervorragend zur Geschichte.

 

Mein Fazit:

Mit „Als wir Schwäne waren“ hat Behzad Karim Khani einen sprachlich beeindruckenden Roman geschrieben, der zwar einige Fragen offen lässt, aber durchaus lesenswert ist.

Der kleine Suchtrupp

Taumeln - Sina Scherzant

Seit zwei Jahren ist Hannah Auerbach verschwunden. Eine Leiche wurde bisher nie gefunden. Lebt sie noch? Luisa, ihre zwei Jahre jüngere Schwester, geht mit sieben weiteren Personen Woche für Woche auf die Suche nach der Vermissten in den Wald. Jeder und jede von ihnen trägt dabei ein Päckchen mit sich herum…

 

„Taumeln“ ist ein Roman von Sina Scherzant.

 

Die Struktur erschließt sich schnell: Der Roman besteht aus 43 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens aus wechselnder Perspektive, chronologisch, aber mit diversen Rückblicken.

 

Der Schreibstil ist schnörkellos und unauffällig, zugleich jedoch atmosphärisch und eindringlich. Dialektale Einschübe und umgangssprachliche Ausdrücke machen die Dialoge sehr authentisch.

 

Das Personal des Romans ist interessant und vielschichtig angelegt. Vor allem Luisa steht im Vordergrund. Deren Eltern und die anderen Mitglieder des Suchtrupps nehmen ebenfalls viel Raum ein. Die Figuren werden lebensnah und mit psychologischer Tiefe.

 

Die Vermisstensuche bietet ein reizvolles Setting. Auf inhaltlicher Ebene geht es jedoch weniger um das Klären eines Kriminalfalls. Tatsächlich bleibt die Geschichte diesbezüglich Antworten schuldig. Vielmehr ergründet der Roman, was das Verschwinden mit den Angehörigen macht und wem das Mitgefühl gelten sollte. Wann muss man loslassen? Wie schafft man das? Diese Fragen stellt die Geschichte. Verschiedene menschliche Schicksale und Probleme werden darüber hinaus beleuchtet. 

 

Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte nicht durchweg spannend. Das Erzähltempo ist eher langsam und es gibt durchaus ein paar Längen. Dennoch hat mich der Roman gut unterhalten und immer wieder berührt.

 

Das düstere, etwas kryptische Cover entspricht nicht meinem Geschmack, passt thematisch allerdings gut. Den prägnanten Titel empfinde ich als treffend.

 

Mein Fazit:

Mit „Taumeln“ hat Sina Scherzant einen tief schürfenden Roman geschrieben, der interessante Fragen aufwirft. Eine bewegende Lektüre.

Wenn der Staat zum Monster wird

Das Lied des Propheten - Paul Lynch

Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss sich nun alleine um ihre Kinder Mark, Molly, Bailey und Ben kümmern - und um ihren dementen Vater Simon. Derweil wird das autoritäre, nationalistische Regime in Irland immer radikaler und tyrannischer, was Eilish den Alltag zusätzlich erschwert…

„Das Lied des Propheten“ ist ein Roman von Paul Lynch. Er wurde mit dem Booker Prize 2023 ausgezeichnet.

Der Roman umfasst neun Kapitel. Erzählt wird im Präsens in chronologischer Reihenfolge aus der Perspektive von Eilish. Die Handlung ereignet sich über einen Zeitraum von etlichen Monaten.

Vor allem seine poetische Sprache macht den Roman ungewöhnlich und besonders. Neologismen und Metaphern schaffen viel Atmosphäre und einen unverwechselbaren Stil, der sich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt. Angesichts dieser großen Herausforderung ist die Arbeit von Übersetzer Eike Schönfeld dennoch an den meisten Stellen gelungen.

Die Geschichte bleibt sehr nahe bei Protagonistin Eilish, deren Gedanken und Gefühlswelt zwar einerseits deutlich wird, deren langes Zaudern für mich andererseits aber nur schwer zu ertragen war. Ihr teils etwas widersprüchliches, teils inkonsequentes und wenig heldenhaftes Verhalten wirkt auf mich dennoch zutiefst menschlich und realistisch. Auch die übrigen Figuren erscheinen lebensnah.

Inhaltlich beleuchtet der Roman, wie eine autoritäre und faschistische Regierung mehr und mehr Freiheiten und Rechte einschränkt, wie sie manipuliert, lügt und kontrolliert, wie die Unterdrückung immer engere Kreise zieht und zunehmend Leib und Leben der Menschen bedroht. Die Geschichte fasst die Methoden solcher Regime zusammen, verdichtet deren Vorgehensweise auf eine kurze Zeitspanne und zeigt die äußersten Konsequenzen auf. Damit rüttelt die Lektüre auf und bietet reichlich Stoff zum Nachdenken.

Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte spannend und beklemmend zugleich. Sie schont die Leserschaft nicht und hält mehrere Grausamkeiten bereit. Dem Sog der Story konnte ich mich nicht entziehen.

Der deutsche Titel ist nahe am englischsprachigen Original („Prophet Song“). Das künstlerisch anmutende Cover, das ebenfalls übertragen wurde, passt nach meiner Ansicht ebenfalls hervorragend.

Mein Fazit:
Sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht ist „Das Lied des Propheten“ eine Lektüre, die einiges abverlangt und nicht leicht verdaulich ist. Mit seinem preisgekrönten und empfehlenswerten Roman hat mich Paul Lynch dennoch überzeugt.

Eine Odyssee nach Gringolandia

Solito - Javier Zamora

Frühjahr 1999: Javier Zamora ist erst neun Jahre alt, als er seine Kleinstadt in El Salvador verlassen und seinen Eltern in die USA folgen soll. Bis dahin war er behütet bei seinen Großeltern und seiner Tante aufgewachsen. Nun aber hält ihn seine Familie bereit dafür, die riskante illegale Migrantenroute in die Vereinigten Staaten zu nehmen. Mit einem Schleuser, aber ohne die Begleitung von ihm vertrauten Personen soll der Junge tausende Kilometer quer durch Mittelamerika und über die US-amerikanische Grenze bewältigen. Doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht…

 

„Solito“ ist ein Memoir von Javier Zamora.

 

Das autobiografische Buch besteht aus neun Kapiteln, die anhand der Tage in weitere Abschnitte untergliedert sind. Das erzählte Geschehen umfasst die Zeit vom 16. März 1999 bis zum 11. Juni 1999, wobei es eine Art Nachtrag vom 5. April 2021 gibt. 

 

Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Javier, streng chronologisch und mit kindlicher Erzählstimme. Letzteres hat die Folge, dass die mitunter sehr detaillierten Schilderungen zwar anschaulich und atmosphärisch, jedoch Syntax und Vokabular recht einfach gehalten sind. Nur an einigen wenigen Stellen fallen starke Bilder und sprachlich beeindruckende Beschreibungen auf. Auch das angehängte Glossar kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ungerechtfertigte Häufung spanischer Begriffe und Wendungen leider das Verständnis des Textes und das Lesevergnügen trübt.

 

Besonders gelungen ist die Figurenzeichnung, was den Protagonisten Javier und seine Familienmitglieder angeht. Andere Personen bleiben größtenteils etwas eindimensional und zum Teil schablonenhaft, was ich allerdings der kindlichen Perspektive zuschreibe und nicht als Manko empfunden habe.

 

Aus inhaltlicher Sicht halte ich das Memoir für ein wichtiges Zeitdokument, um die Herausforderungen und Probleme von Flüchtlingen und Migranten zu illustrieren. Das Buch macht nachdenklich, rüttelt auf und bietet viel Diskussionsstoff. Es stellt daher einen bedeutsamen gesellschaftlichen Beitrag zur Thematik dar und steht exemplarisch für die Geschichte vieler anderer illegaler Auswanderer.

 

Auf den fast 500 Seiten gibt es die eine oder andere Länge. Überwiegend hat mich das Geschilderte aber gut unterhalten und emotional bewegt. Obwohl von Anfang an klar ist, dass letztlich die Bemühungen für Javier erfolgreich waren, ist der Text immer wieder spannend und fesselnd.

 

Trotz des recht großen Umfangs habe ich an mehreren Stellen den Kontext vermisst. Zu viele Fragen bleiben am Ende offen. Unter anderem geht für mich nicht eindeutig genug hervor, weshalb zunächst seine Eltern und schließlich Javier diese Tortur auf sich nehmen mussten. So fehlt mir auch nach der Lektüre jegliches Verständnis dafür, ein noch so junges Kind alleine auf diese gefährliche Route zu schicken.

 

Das reduzierte Cover sticht angenehm aus der Masse hervor. Es passt hervorragend zum Inhalt. Der prägnante Titel ist ebenfalls eine gute Wahl.

 

Mein Fazit:

Zwar hat mich „Solito“ in sprachlicher Hinsicht enttäuscht und weist inhaltliche Lücken auf. Das Memoir von Javier Zamora ist dennoch absolut lesenswert und eine besondere Lektüre.        

Das Dornröschen und der Prinz

Anna O. - Matthew Blake

In der Nacht auf den 30. August 2019 auf einer Farm in Oxfordshire (England): Die Leichen von Douglas Bute (26) und Indira Sharma (25) werden tot in ihren Betten aufgefunden. Die Spuren auf dem blutbeschmierten Tatmesser weisen auf deren beste Freundin Anna Ovigly (25) hin. Ist sie die Täterin? Doch die junge Frau fällt kurz nach den Morden in einen Tiefschlaf und kann keine Auskunft geben. Der Londoner Schlafforscher Dr. Benedict Prince soll die Verdächtige vier Jahre nach der Tat wecken und so die Aufklärung des Falls unterstützen…

 

„Anna O.“ ist ein Psychothriller von Matthew Blake.

 

Die durchdachte Struktur des Thrillers ist nicht unkompliziert: Er besteht aus 82 kurzen Kapiteln, die sich über fünf Teile erstrecken. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven: der von Ben, Lola, Bloom, Emily und Clara. Dazwischen eingestreut sind Einträge aus Annas Notizbuch, Chatverläufe, E-Mails und Auszüge aus Akten. Die Handlung umfasst insgesamt etwa fünf Jahre und spielt an unterschiedlichen Orten.

 

In sprachlicher Hinsicht ist der Thriller unspektakulär, aber anschaulich und dank vieler Dialoge lebhaft. Fachbegriffe werden erklärt. Leider sind die verschiedenen Perspektiven stilistisch so ähnlich, dass es nicht authentisch wirkt.

 

Das Personal ist recht umfangreich, aber dennoch nachvollziehbar. Die Figuren bleiben, dem Genre angemessen, undurchsichtig und geheimnisvoll. Die Charaktere sind recht klischeefrei und interessant angelegt.

 

Inhaltlich ist der Thriller sehr facettenreich und komplex. Das Resignationssyndrom und die Schlafforschung bilden einen originellen und interessanten Hintergrund. Diesbezüglich wird die fundierte Recherche des Autors immer wieder deutlich. Medizinische, juristische und politische Zusammenhänge werden gut erklärt. Diese Themen machen die Geschichte besonders. Auch aktuelle Bezüge werden aufgegriffen.

 

Während mich die Grundidee des Thrillers sehr angesprochen hat, empfinde ich die Umsetzung als weniger gelungen. Erstens: Die Story ist inhaltlich überfrachtet. Das sorgt dafür, dass die Auflösung nicht alle losen Fäden wieder aufnehmen kann und alle offenen Fragen beantwortet werden. Zweitens: Zwar kann die Handlung mit mehreren Wendungen punkten und ein Plottwist sorgt zum Ende hin für einen zusätzlichen Überraschungseffekt. Die vielen Zufälle machen das Geschehen allerdings unrealistisch. Zudem ergeben sich mehrere Logikbrüche.

 

Das kreative Cover und der prägnante Titel, der mit dem Original identisch ist, heben sich auf positive Weise von anderen Büchern des Genres ab.

 

Mein Fazit:

„Anna O.“ von Matthew Blake ist ein ungewöhnlicher und interessanter Thriller. Trotz inhaltlicher Schwächen in der Umsetzung hat mich die Geschichte gut unterhalten.

Nachmittage mit Hubert

Der Bademeister ohne Himmel - Petra Pellini

42 Jahre lang war Hubert Raichl Bademeister im Strandbad in Bregenz. Nun ist er 86 Jahre alt und dement. Ewa, die polnische Pflegekraft, kümmert sich um ihn. Und dann gibt es noch Linda (15), die ihn an drei Tagen in der Woche stundenweise betreut. Eigentlich würde die Jugendliche gerne sterben. Aber da ist nicht nur Hubert, der sie braucht, sondern auch noch ihr Freund Kevin….

 

„Der Bademeister ohne Himmel“ ist ein Roman von Petra Pellini.

 

Der Roman umfasst 67 kurze Kapitel, an die sich ein Epilog anschließt. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Linda.

Auf den ersten Blick wirkt der Schreibstil authentisch, flott und dank vieler Dialoge lebhaft. In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman bei genauerem Hinsehen jedoch nicht überzeugt: Die Mischung aus dem fehlerhaftem Deutsch der Polin, den österreichischen Begriffen und Formulierungen sowie den telegrammartigen Sätzen ist auf Dauer kein Genuss.

 

Die Zusammenstellung der ungewöhnlichen Figuren ist reizvoll und birgt viel Humor. Zwar schrammt die Darstellung der Charaktere an wenigen Stellen nahe an Stereotypen vorbei. Dennoch ist die Ausarbeitung der Personen im Großen und Ganzen gelungen.

 

Aus inhaltlicher Sicht sticht vor allem das Thema Demenz hervor. Dass die Autorin auf diesem Gebiet Expertise hat, kommt immer wieder zum Ausdruck. Diese Krankheit macht die Geschichte zusammen mit Aspekten wie Freundschaft, Familie und Erinnerungen berührend. Nicht ganz schlüssig dargestellt werden für mich Lindas Suizidgedanken, weshalb mich diese Passagen leider nur wenig bewegen konnten.

 

Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte unterhaltsam und kurzweilig. Das Ende ist allerdings wenig überraschend.

 

Der Titel des Romans gefällt mir sehr, denn er ist kreativ und passend. Auch das Cover fügt sich gut ein.

 

Mein Fazit:
Obwohl mich Petra Pellini nicht in allen Punkten begeistert hat, ist ihr Roman „Der Bademeister ohne Himmel“ durchaus eine lohnenswerte Lektüre.

Wo Leidenschaft aufhört und Gewalt anfängt

Die schönste Version - Ruth-Maria Thomas

Zuerst war mit Yannick Brenner alles wie Himbeerbrause. Nun sitzt Jella Nowak bei der Polizei, um eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt aufnehmen zu lassen. Und sie muss sich fragen: Wie konnte es so weit kommen, dass ihr Freund seine Hände um ihren Hals gelegt und sie gewürgt hat?

 

„Die schönste Version“ ist der Debütroman von Ruth-Maria Thomas.

 

Der Roman besteht aus 13 kurzen Kapiteln, die jeweils mehrere Abschnitte umfassen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Jella, chronologisch, aber mit diversen Rückblicken.

 

Vor allem in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt: Starke Bilder, viel Atmosphäre und kurze, aber eindringliche Sätze kennzeichnen den Text. Stilistisch präsentiert sich der Roman zudem wandlungsfähig - dank eingefügter Chats, Zitate usw.

 

Jella und Yannick, die beiden Hauptfiguren, werden mit psychologischer Tiefe dargestellt. Besonders die Gedanken und Gefühle der Protagonistin werden deutlich. Das Verhalten erscheint schlüssig und lebensnah.

 

Häusliche und sexualisierte Gewalt in Beziehungen, sowohl in verbaler als auch in körperlicher Form, stehen auf inhaltlicher Ebene im Vordergrund. Ein wichtiges Thema, das leider noch zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. Darüber hinaus geht es um Liebe, Freundschaft und Weiteres, das ich nicht vorwegnehmen möchte.

 

Auf den rund 270 Seiten hat mich die Geschichte immer wieder berührt, zum Teil auch schockiert. Die Handlung ist kurzweilig und durchweg plausibel.

 

Cover und Titel machen neugierig und passen durchaus, obgleich der Kontrast der zarten Farben und positiven Worte zum teils heftigen Inhalt zunächst verwundert.

 

Mein Fazit:
Mit „Die schönste Version“ legt Ruth-Maria Thomas ein sprachlich wie inhaltlich überzeugendes Debüt im Bereich Roman hin. Eine empfehlenswerte Lektüre, die bewegt und nachdenklich macht.

Die weite Reise eines kleinen Regentropfens

Am Himmel die Flüsse - Elif Shafak

Was haben Arthur Smyth, der im 19. Jahrhundert in London an der Themse geboren wird und in der Gosse aufgewachsen ist, die neunjährige Narin, die im Jahr 2014 mit ihrer Großmutter in einer jesidischen Gemeinde am Tigris lebt, und die junge Hydrologin Dr. Zaleekhah Clarke, die 2018 ein Hausboot auf der Themse bewohnt, gemeinsam?

 

„Am Himmel die Flüsse“ ist ein Roman von Elif Shafak.

 

Die Struktur des Romans ist komplex. Er besteht aus fünf Teilen, die wiederum in zahlreiche Kapitel mit mehreren Abschnitten untergliedert sind. Erzählt wird im Präsens aus wechselnder Perspektive und in drei Handlungssträngen, die in unterschiedlichen Jahren und an verschiedenen Orten spielen. Angaben zu Beginn der Kapitel erleichtern dabei die Orientierung.

 

Die Sprache ist anschaulich, atmosphärisch und authentisch. Etliche Fachbegriffe und fremdsprachige Wörter machen den Text jedoch stellenweise nicht ganz so leicht zu verstehen.

 

Mit Arthur, Narin und Zaleekha gibt es drei sehr unterschiedliche Hauptfiguren. Die weiblichen Charaktere haben mich am meisten überzeugt.

 

Aus inhaltlicher Sicht spielt vor allem das Thema Wasser eine Rolle, das sich auch in mehreren gestalterischen Details im Buch wiederfindet. Dabei wird vor allem der Kreislauf des Wassers und die Art und Weise, wie dieser die Menschen verbindet dargestellt. Dadurch lässt sich beim Lesen noch einiges lernen.

 

Auch menschliche Nöte und Schicksale erzählt die Geschichte. Besonders berührt hat mich das IS-Massaker im Jahr 2014 an der jesidischen Glaubensgemeinschaft. Bei diesen und weiteren Aspekten des Romans zeigt sich die intensive und fundierte Recherchearbeit der Autorin.

 

Die rund 570 Seiten lange Geschichte weist zwar durchaus ein paar Längen auf. Dennoch hat mich die vielschichtige Handlung gut unterhalten.

 

Der deutsche Titel ist erfreulicherweise nahe am englischsprachigen Original („There are Rivers in the Sky“). Das farbenfrohe und künstlerisch anmutende Cover gefällt mir. Es greift das Wassermotiv auf.

 

Mein Fazit:
Mit „Am Himmel die Flüsse“ ist Elif Shafak ein lesenswerter, interessanter und aufschlussreicher Roman gelungen, der mich unterhalten und bewegt hat.